regnerisch

Regen: Eine Kurzgeschichte

Es ist heute etwas später als gewöhnlich, als mir die WetterApp frech ins Gesicht lügt, dass es heute nicht regnen solle.
Immerhin, die lausige Temperatur von 5° Grad scheint offenbar der Wahrheit zu entsprechen. In der Nähe von Slenaken, einem beliebten Wanderort in der Nähe der Grenze, soll heute mein Abenteuer beginnen.

Ein nur schulterbreiter Weg zwischen zwei Häuserreihen geleitet mich auf einen Feldweg entlang des Flüsschens Gulp. Der Name des Weges, “Grote Bosweg”, steht im krassen Gegensatz zu der von Rand zu Rand ragenden, schmalen Schlammpiste, dem ich gelegentlich über einzelne Grasstreifen auszuweichen vermag. Nach einigen Minuten bemühe ich mich nicht einmal mehr, mit den Füßen eine trockene oder gar feste Stelle auf dem Boden zu treffen.

So dauert es auch nicht lange, bis ich beim Balancieren durch die Suhle einen wenig eleganten Überschlag vollziehe, den ich nicht minder unelegant mit einer seitlichen Rolle über meinen Rucksack abzufangen versuche. Klatsch. Aua. Das tat weh. Eins zu null für den Trail.

Mithilfe von nassem Gras befreie ich meine Hände so gut es geht von dem braunen Belag. Die krümeligen Überreste werden sich wohl nach einiger Zeit abreiben lassen. So hoffe ich.
Mit schlammbefleckten Klamotten passiere ich nun ein paar mehr oder weniger urbane Gebiete. Die Rutschgefahr ist hier recht gering. Dafür ist mein Zeigefinger nach dem Sturz seltsam taub. Ich frage mich, ob es die Kälte oder der Aufprall beim Sturz ist.
Ich bin gewarnt – und angeschossen. Unschön. Aber davon lasse ich mich nicht einschüchtern.

Aber, ich habe die Rechnung ohne das Bosverservaat Teuvenberg gemacht. Ich laufe nicht einmal und dennoch gelingt es mir nicht trittsicher durch den nach Rodungsarbeiten total durchweichten Waldweg zu gehen. Zack, und schon liege ich wieder im Matsch.
Diesmal falle ich elegant in voller Länge auf die Seite, sodass meine komplette rechte Hälfte sich mit dem braunen Modder vollsaugen kann. Mir kommt das Bild von einer Frucht in einem Schokobrunnen in den Sinn. Langsam und vorsichtig dreht und tunkt man das Fruchtstück in der zähflüssigen Masse. Nicht, ohne peinlich darauf zu achten, dass eine Hälfte sauber bleibt. Der Finger wegen. Eigentlich ein schöner Vergleich – eigentlich. Zwei zu null für den Trail.

Jetzt, wo nicht nur meine Klamotten und die Hände vom Stürzen komplett nass sind, schlägt auch erbarmungslos der seit zwei Stunden anhaltende und nur 5° Grad warme Regen zu buche. Meine Fingerspitzen tun bereits weh. Handschuhe hätte ich auch noch dabei, ich entscheide mich aber dazu, mit den Händen in den Hosentaschen weiterzulaufen.
Das ist nicht nur sehr unpraktisch, sondern sieht auch noch unglaublich blöd aus.

Ich komme an einer Wiese mit Schafen vorbei. Das Fell der armen Tiere hängte in nassen Zotteln an ihnen herab. Die Schafe schauen wirklich sehr traurig drein. Ich werde das Gefühl nicht los, dass ihnen der Regen ziemlich egal ist und sie eigentlich nur meinetwegen so traurig schauen. In einer Sekunde telepathischen Austauschs höre ich sie alle blöken “Ich fühle dich, Elmar”. Das imaginierte Mitleid tut gut. Ich schaue traurig zurück.

Ich habe den größten Teil der Strecke bereits hinter mir. Mit dem Kopf bin ich bereits am Zielpunkt. Wäre da nicht dieser steile Abhang vor mir. Ob ich den bei diesem Wetter wohl heil hinunterkomme – denke ich mir – und falle eine Minute später rücklings auf meinen Hintern. Würden links und rechts Juroren mit Bewertungstafeln stehen, hätte ich für diesen Sturz sicher eine 8 von 10 verdient. Elegant abgefangen in die Hocke, mit dem Gesäß den Boden berührt und gleichzeitig damit abgefedert und wieder auf die Beine gekommenen. Ich sehe sie im Geiste vor mir, die Juroren. Wie in der Fernsehshow: Die Freundliche lobt mich “Das hast du wirklich toll gemacht”. Der Lustige hat auch nette Worte für mich. Der Strenge tadelt mich stattdessen: “Dieser Sturz lässt Haltung und Stil vermissen. Das muss man hier auch mal klar ansprechen”. Das hat gesessen! Mein Kopf radiert das Gedankenspiel wieder weg und gibt wieder den Blick auf die trübe Landschaft frei. Drei zu null für den Trail.

Hat hier jemand gesagt: “Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung”?
Na, vielen Dank 🙂